Bereits 2016 definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Telemedizin als die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen über Distanz unter Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) [1]. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Telemedizin und eHealth (SGTMeH) liefern eine technische Definition, doch das Grundprinzip bleibt dasselbe: Ärztliche Beratung und / oder Behandlung ohne unmittelbare physische Präsenz über IKT [2]. Die Telemedizin hat die Pionierphase längst hinter sich gelassen und Einzug in Arztpraxen gehalten, weit über spezialisierte Zentren hinaus. Telediagnostik, Telemonitoring, Telepsychiatrie, Telerehabilitation und sogar häusliche Telebetreuung: Die Bandbreite der Möglichkeiten erweitert sich Tag für Tag.
Mit der Revision der FMH Standesordnung vom 8. Juni 2023 wurde dem Wandel der medizinischen Telekonsultation Rechnung getragen und die Telemedizin ins Standesrecht aufgenommen. Mit diesen Änderungen wird den Ärztinnen und Ärzten die Autonomie in der Entscheidung eingeräumt, wann eine Behandlung über IKT möglich und wann diese vor Ort erforderlich ist. Ein bedeutender Schritt, der die Weiterentwicklung der klinischen Praxis aufgreift, aber auch neue Verantwortlichkeiten mit sich bringt: die Kenntnis nationaler und internationaler Richtlinien, die Anpassung operativer Abläufe und die Auseinandersetzung mit einem keineswegs nebensächlichen Thema der Abrechnung. Damit die Telemedizin nicht ein uneinheitliches Mosaik isolierter Initiativen bleibt, ist ein weiterer Schritt erforderlich: Es gilt, einen gemeinsame Rahmen festzulegen, eine transparente Governance sicherzustellen und klare Zuständigkeiten zu definieren. Ohne diese grundlegenden Elemente riskieren wir, das Vertrauen zu verlieren und damit die Einführung von Instrumenten zu behindern, die den Zugang zur medizinischen Versorgung deutlich verbessern könnten.
Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit: die zwei zentralen Herausforderungen
Telemedizin darf kein Privileg für jene bleiben, die über ausreichende Mittel, Zeit oder fortgeschrittene digitale Kompetenzen verfügen. Sie darf keine Ungleichheiten schaffen. Es braucht eine breite digitale Gesundheitskompetenz, auch unter Gesundheitsfachpersonen: Wir dürfen nicht voraussetzen, dass alle bereits bereit dafür sind. Infrastruktur, Interoperabilität und Zugänglichkeit sind Schlüsselbegriffe. Systeme müssen miteinander kommunizieren können, Daten müssen sicher, aber reibungslos zirkulieren, ohne technologische und vor allem ohne ideologische oder wirtschaftliche Barrieren. Auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist entscheidend: Ohne einen klaren und stabilen Tarifrahmen droht die Telemedizin ein Privileg weniger Pionierinnen und Pioniere oder besonders engagierter Patientinnen und Patienten zu bleiben.
Im Einklang mit der FMH-Strategie 2025–2028 muss auch die Telemedizin auf konkrete Ziele hinsichtlich Wirksamkeit und Nutzen ausgerichtet sein.
Ein Wegweiser im Wandel: das neue FMH-Merkblatt
Das «Merkblatt zur Durchführung von Telemedizin» bietet einen Überblick über Aspekte der Telemedizin entlang des medizinischen Konsultationsablaufes, die sich von der herkömmlichen ärztlichen Beratung und Behandlung vor Ort unterscheiden. Das Merkblatt dient als Orientierungshilfe und soll dazu beitragen, dass Telemedizin in Übereinstimmung mit den rechtlichen und ethischen Vorgaben durchgeführt wird. Das Merkblatt ist als Empfehlung zu verstehen. Es soll eine Unterstützung in Bezug auf die gängigsten Fragen und Abläufe bei der Telemedizin sein. Die primäre Zielgruppe des Merkblatts sind ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte, die Telemedizin anbieten möchten. Es richtet sich nicht an telemedizinische Zentren und telefonische Notfallzentralen. In der heutigen Ausgabe der SAEZ können Sie dazu einen zusammenfassenden Artikel lesen, das umfassende Merkblatt finden Sie auf der Webseite der FMH [3].