Schon bei unserer ersten persönlichen Begegnung – es muss im Frühling 2006 gewesen sein – fiel mir ihr wacher, aufmerksamer Blick auf. Ich hatte kurz zuvor meine Stelle bei der Schweizerischen Ärztezeitung angetreten. ANNA war damals als Zeichnerin bei der SÄZ bereits eine Institution, auch wenn ihr dieses Attribut sicher gegen den Strich gegangen wäre. Jedenfalls war das «Gelbe Heft» ohne ihren wöchentlichen Cartoon so wenig vorstellbar wie ein Notarztkoffer ohne Adrenalin.
ANNA wollte mich kennenlernen. Bezeichnend ist, dass wir uns weder in der Redaktion noch in einem Restaurant trafen. Sie lud mich zu sich nach Hause ein, wo sie einfache, aber äusserst schmackhafte Häppchen aus der mediterranen Küche servierte. Die Besuche im Basler Bachletten-Quartier, zu denen ich in der Regel mit dem Velo aus der SÄZ-Redaktion in Muttenz anreiste, wurden über die Jahre zu Tradition. Vorbei am St. Jakobsstadion, dem Bahnhof, der Pauluskirche und dem Schützenmattpark ging die Fahrt. Für den Zürcher jedes Mal ein Abenteuer.
Ärztin mit grossem künstlerischen Talent
Entdeckungsreisen waren auch die Gespräche mit ANNA. Als promovierte Ärztin war sie medizinisch beschlagen, doch ihr Horizont und ihre Interessen gingen weit über die Medizin hinaus. Auch wenn sie sich als Karikaturistin in der Schweizerischen Ärztezeitung in Regel medizinischen oder gesundheitspolitischen Themen widmete, waren ihre Zeichnungen von einem Engagement geprägt, das man vielleicht am treffendsten als humanistisch bezeichnen könnte. Selten positionierte sie sich direkt politisch, was gelegentlich zu erbosten Anrufen polternder Ärzte beim Chefredaktor führte.
Zweifellos hatte ANNA alle Voraussetzungen für eine hervorragende Ärztin. Dennoch kann rückblickend kein Zweifel bestehen, dass ihre Berufung in der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Welt lag. Ihr Anspruch an sich war hoch. Sie blieb ihm stets treu, perfektionierte ihren unverwechselbaren Strich mit höchster Ausdruckskraft und sprühte immer vor Ideen. Zahlreiche Preise und eine Vielzahl einzigartiger und erfolgreicher Bücher zeugen von der grossen Resonanz ihres Schaffens.
Gegen Ende unseres gemeinsamen Weges bei der SÄZ im Jahr 2019 deutete ANNA an, dass ihre Rolle als «Grossmanna» – sie war vierfache Mutter und siebenfache Oma – für sie künftig im Vordergrund stehen werde. Möglich, dass ihre Parkinson-Diagnose, die sie von Beginn weg offen kommunizierte, zur Verschiebung der Prioritäten beitrug. Dem «eisernen Griff» dieser Erkrankung, wie sie ihn in ihrem Abschiedsbrief nennt, hat sie noch etliche Jahre getrotzt. Nun hat sie sich selbstbestimmt aus ihm befreit, ist ihm entflogen. Wir sind traurig, aber dankbar für ein reiches künstlerisches Vermächtnis, an dem wir uns weiterhin erfreuen dürfen.
Die Abdankung findet am 23. Mai um 14 Uhr in der Pauluskirche Basel statt.