Die vom «European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing» (EUCAST) festgelegten Kategorien zur Bewertung der Empfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika sind für die klinische Praxis von entscheidender Bedeutung. Sie unterstützen Ärztinnen und Ärzte dabei, die Wirksamkeit eines Antibiotikums gegen einen spezifischen Erreger einzuschätzen und die optimale Dosierung festzulegen.
Im Januar 2019 hat EUCAST die klinischen Kategorien S (Empfindlich) und I (Intermediär) für die Einteilung der Wirksamkeit der Antibiotika wie folgt neu definiert [1]:
Die EUCAST-Tabellen mit klinischen Grenzwerten legen fest, welche Antibiotikadosierung für eine wirksame Behandlung empfohlen wird. Dabei wird zwischen einer Standarddosierung und einer höheren Dosierung, um eine erhöhte Exposition zu erreichen unterschieden [2]. Als Folge davon, empfahl das Schweizer Antibiogramm-Komitee (Swiss Antibiogram Committee, SAC) den Buchstaben «I / i» zur Kennzeichnung der Kategorie «Empfindlich, erhöhte Exposition» gemäss den EUCAST-Richtlinien zu verwenden [3].
Einige Labore haben jedoch einen anderen Buchstaben /Akronym (wie S* oder SDD – empfindlich-dosisabhängig) übernommen, um diese Kategorie zu melden und Unklarheiten unter Klinikern zu verhindern. Diese Entscheidung basierte auf der Überlegung, dass der Buchstabe ‘I’ vor der Anpassung im Jahr 2019 von EUCAST verwendet wurde, um eine «Intermediär»-Kategorie anzuzeigen, die von Laboren und Klinikern oft als «Resistent» interpretiert wurde. Die uneinheitliche Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen kann jedoch zu Missverständnissen führen, insbesondere wenn Patienten zwischen verschiedenen Institutionen verlegt werden. Das SAC betont daher die Notwendigkeit einer klaren und einheitlichen Kommunikation zwischen Laboren und Klinikern, um eine korrekte Interpretation der Testergebnisse sicherzustellen und eine optimale Therapieentscheidung zu ermöglichen.
Bedeutung der Kategorie «I – Empfindlich, erhöhte Exposition»
Die neue Definition der Kategorie «I» bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolgs hoch ist, wenn die Exposition des Erregers gegenüber dem Antibiotikum erhöht wird, entweder durch eine erhöhte Dosierung oder durch eine erhöhte Konzentration des Antibiotikums am Infektionsort aufgrund pharmakokinetischer Eigenschaften. Im Gegensatz dazu hat die frühere Definition der Kategorie «Intermediär» (ebenfalls als «I» abgekürzt) eine unsichere Wirksamkeit impliziert, so dass in der klinischen Praxis auf die Verabreichung des entsprechenden Antibiotikums häufig verzichtet wurde. Antibiotika, welche anhand der neuen Klassifikation als «I» eingestuft werden, können jedoch zur Therapie eingesetzt werden, sofern eine höhere Dosis des Antibiotikums im Vergleich zur Standarddosierung verabreicht werden kann (oder wenn aufgrund pharmakokinetischer Eigenschaften eine erhöhte Konzentration am Infektionsort vorliegt). Solche Situationen, die eine «erhöhte Exposition» erfordern, treten insbesondere bei Infektionen auf, bei denen die Standarddosierung möglicherweise nicht ausreicht, um eine erfolgreiche Therapie zu gewährleisten. Dies kann auf pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften des Antibiotikums, einen erhöhten MHK-Wert innerhalb des Empfindlichkeitsbereichs, Eigenschaften des Erregers oder schwer zugängliche Infektionsherde (z. B. ZNS-Infektionen, Biofilme) zurückzuführen sein. In diesen Fällen ist eine optimierte Dosierung entscheidend, um eine ausreichende Wirkstoffkonzentration am Infektionsort zu erreichen und die bestmögliche therapeutische Wirksamkeit sicherzustellen.
Beispiel: Behandlung von Pseudomonas aeruginosa
Ein klassisches Beispiel ist die Therapie von Infektionen mit P. aeruginosa. Hier werden beim Fehlen von zusätzlichen Resistenzmechanismen gemäss der neuen Klassifikation die gegen P. aeruginosa wirksamen Antibiotika Piperacillin-Tazobactam, Ceftazidim, Cefepim und Imipenem immer als «I» (und nie als «S») klassifiziert. Dies bedeutet, dass diese Substanzen für die Therapie eingesetzt werden können, sofern eine höhere Dosierung gewählt wird. Das Carbapenem Meropenem wird beim Fehlen zusätzlicher Resistenzmechanismen weiterhin als «S» eingestuft (analog der früheren Klassifikation) und kann somit in der Standarddosierung angewendet werden. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass eine Therapie mit Meropenem in der Standarddosierung nicht einer Therapie mit den als «I» eingestuften Antibiotika in höherer Dosierung vorzuziehen ist. Im Gegenteil ist die Nutzung der anderen Antibiotikaklassen zu bevorzugen, um einem übermässigen Verbrauch von Meropenem entgegenzuwirken, da ein solcher zu einem Anstieg von Carbapenem-resistenten Bakterien führen kann.
Schlussfolgerung und Empfehlungen an die Kliniker
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Klinikerinnen und Kliniker die korrekte Bedeutung der neuen Kategorien verstehen, um die beste therapeutische Entscheidung zu treffen und unnötigen Einsatz von breitenwirksamen Antibiotika zu vermeiden. Ein enger Austausch zwischen den Laboren und den behandelnden Ärzten ist unerlässlich, um Missverständnisse bei der Interpretation der Ergebnisse zu vermeiden.
Kommentar von Dr. med. Carlos Quinto, MPH und Mitglied des Zentralvorstandes FMH
Resistenzprüfungen gewinnen immer mehr an Bedeutung – nicht nur im stationären, sondern auch im ambulanten Bereich. Die Zunahme der Antibiotikaresistenzen ist ein weltweites Problem. Aus gewissen Ländern kehren Patientinnen und Patienten gehäuft mit resistenten Erregern zurück. Auch in der Hausarztpraxis zeigen die extern durchgeführten bakteriologischen Resistenzprüfungen manchmal Überraschendes: Beispielsweise können bei Patientinnen mit Harnwegsinfekten zunehmend resistente Bakterien nachgewiesen werden, ohne dass sie in den letzten Jahren ärztlich antibiotisch behandelt wurden. In diesen Fällen ist anamnestisch eine vorangegangene Reise oder ein Erholungsaufenthalt mit Baden in kleinen Warmwasserpools typisch.
Neuerdings werden zudem auch vermehrt Mykosen mit Resistenzproblemen registriert, wenn auch seltener im Vergleich zu den Bakterien.
Die richtige Wahl des Wirkstoffs
Insofern ist es wichtig, dass die Klassifizierung S / I / R international konsistent ist. «S» und «R» sind klar. Für Fälle der Kategorie «I» (I= empfindlich, erhöhte Exposition) ist es hilfreich, wenn in den Guidelines und idealerweise im anresis guide entsprechende Dosierungsempfehlungen aufgeführt werden. Der anresis guide deckt ein wesentliches Bedürfnis in der ambulanten medizinischen Versorgung ab und ist hilfreicher als weitere praxisferne Regulationen, die nur zu mehr administrativem Aufwand, Kosten und einer schlechteren Patientenversorgung führen. Dies insbesondere in Zeiten, in denen die Medikamentenversorgung weiterhin ein grosses, ungelöstes Problem darstellt und die Entwicklung neuer Antibiotika ein noch viel grösseres. Zudem ist aufgrund von Allergien, Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen und Interaktionen auf individueller Patientenebene die Wahrung der ärztlichen Therapiefreiheit entscheidend, um nach bestem Wissen und Gewissen unter verschiedenen Antibiotika das geeignetste Präparat auswählen zu können.